Jan Svankmajer: Kurzfilme & Little Otik

In den 60er Jahren war die Filmlandschaft der staatssozialistischen Tschechoslowakei im Umbruch begriffen. Jenseits der Vorgaben stalinistischer Kulturpolitik experimentierte eine Generation von Künstlern mit im Ostblock marginalisierten ästhetischen Formen, wie dem Neorealismus, dem Surrealismus oder auch Haltungen, die an den späteren Punk erinnern. Kein Wunder, dass die Zensur nicht ausblieb – mit der Niederschlagung des Prager Frühlings war es mit dem kurzen tschechoslowakischen „Filmwunder“ dann auch endgültig vorbei. Jan Svankmajer kann mit Sicherherit als eine der interessantesten Figuren dieser vielfältigen Strömung gelten. In seinen in mehrfacher Hinsicht phantastischen Kurzfilmen schafft er aus dem Abhub der Zivilisation, Liegengebliebenem und Vergessenem, aus mordlüsternen Holzpuppen mit blätterndem Lack, tanzenden Möbeln und makaberen Scherzen, Kafka und Edgar Allen Poe, schnellen Schnitten und suggestiven Montagen seine unverwechselbare Welt. Sie trägt bisweilen die utopischen Züge eines universellen Spiels, scheint aber hauptsächlich unter einem Bann des Zerfalls und sinnloser Zerstörung zu stehen.
Auch in Svankmajers Spielfilm “Little Otik” fließen reales Kino und Animation ineinander. Die so entstehende Bildwelt überschreitet den Alltag und nähert sich der unheimlichen Sphäre des Unbewussten: Ein Ehepaar fantasiert sich – aufgrund des nicht erfüllten Kinderwunsches – aus einem Stück Brennholz ein Kind, das nach kurzer Zeit tatsächlich zum Leben erwacht. Zunächst scheint es trotz seiner fremden Gestalt das ersehnte Glück zu erfüllen. Dann aber avanciert das Stück Holz zum Schrecken für seine Eltern und die Nachbarschaft: Sein Hunger ist nicht mehr zu stillen und sein Wachstum nicht aufzuhalten…

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Die meisten Kurzfilme von Svankmajer kann man im Internet sehen, so zum Beispiel “Punch and Judy”, der kafkaeske “The Flat”, Picnick mit Weissmann,  die Männlichkeits-Studie “Virile Games” oder auch der “Agitpropfilm” “The Death of Stalinism in Bohemia”.

Little Otik: Tschechien, 2000, 132 min.